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Das Gebäude an der Vorburggasse 11 beherbergt das Vineum Bodensee, ein Museum über Weinkultur. Das war nicht immer so. Länger als das Gebäude selbst steht hier der Torkel, der sich im Erdgeschoss befindet. 1607 ist in sein Holz geritzt – das allein sei allerdings für Historiker kein Beleg für dessen Alter, sagt Museumsleiterin Christine Johner. Weitere Belege mussten mit einbezogen werden. Was man nicht wisse, sei, wie genau der Torkel zuvor gestanden habe: mit einem festen Dach, ganz im Freien? In jedem Fall sei das Haus, in dem 2016 das Museum öffnete, drumherum gebaut worden. Um herauszufinden, was sich in dem Gebäude verändert hat, lohnt es sich, genau hinzusehen.
Zimmermeister Urs Müller deutet an die Decke. „Wenn man es weiß, sieht man es“, kommentiert er die Stahlstrebe, die in einen der Balken eingelassen ist. Sie zeugt von einem früheren Schaden. Dabei, schildert der Restaurator, der als Geselle an einem Teil der Arbeiten im Haus beteiligt war, müssten beim Restaurieren häufig Schäden ausgebessert werden, die kurz nach dem Hausbau entstanden seien. Manchmal sei Holz zu nass verbaut worden und daher später anfälliger gewesen. So sei es mutmaßlich auch bei dem Balken gewesen.
Ein Blick auf den Fußboden zeigt: Hier ist ein Teil der Steine erneuert. Ein Zeugnis dafür, dass hier einmal ein sogenanntes „Türkenfass“ gestanden habe. So nannte man Fässer, die von stilisierten „Osmanen“ getragen worden seien, ein Relikt aus vergangener Zeit. Das Fass jedenfalls sei innerlich von einem Parasiten zerfressen gewesen und habe nicht erhalten werden können. Den Boden am Standplatz des schweren Fasses habe man dann teilweise erneuern müssen.
Auch die Treppe in den ersten Stock weist Schichten unterschiedlicher Zeiten auf: Man geht auf Stahl, die Ursprungstreppe aus Holz schaut darunter hervor. Dazwischen ist eine Überdruckanlage verbaut, um im Brandfall das Treppenhaus rauchfrei halten zu können.
Im ersten Stock finden sich die Pfründerstuben. Hier sei eine Wohnung gewesen. „Ich konnte die letzten Bewohner des Hauses kurz vor der Eröffnung tatsächlich noch kennenlernen, aber die Dame hat mir damals nur erzählt, wo die Küche war und wo ihr Kinderbett stand“, schildert Christine Johner. Sie hätten nicht im Einzelnen über alle Räume gesprochen, das heißt, die Dame habe sich auch nicht mehr an alles erinnern können: „Sie war schon über 90 Jahre alt.“
Johner hat hier oben ein Lieblingszimmer, da man dort Spuren aus allen Zeiten finden kann. Es liegt direkt links vom Flur; an einer Wand ist ein Stück Tapete aus den 1950er-Jahren erhalten, dazu der passende Lichtschalter. Urs Müller erklärt, dass die Aufgabe beim Restaurieren nicht sei, die älteste Schicht hervorzuholen, sondern den Zustand, der am besten herstellbar sei.
Bei einer Reparatur in den 1980ern etwa sei Stuck zerschlagen worden – heute wisse man, dass man die entsprechende Arbeit auch hätte von oben ausführen können und die Decke erhalten. So zeugt der unvollständige Stuck von dieser Episode.
Je weiter es in die Vergangenheit geht, desto weniger ist über den Ablauf des Alltags in dem Haus bekannt. „Wie genau die Menschen hier gelebt haben, wissen wir nicht. Es kann auch sein, dass es damals keine Küche gab und die Versorgung von außerhalb kam“, schildert Johner. Ab etwa 1900 seien die Stuben Wohnraum gewesen und wurden Großteils von den Rebleuten des Staatsweinguts genutzt. Müller deutet auf die Fenster über den Türen der Räume; ein Hinweis, dass hier in der Ursprungszeit zumindest reichere Leute gelebt hätten: „Glas war enorm teuer.“
Was wiederum ein sicherer Faktor ist, ist die Entstehung des Hauses Ende des 17. Jahrhunderts, um 1680. Das Alter habe man durch Ablesen der Baumringe im alten Gebälk errechnen können, schildert Müller. Allerdings sei auch das eine Herausforderung gewesen: „Es könnte auch sein, dass die Baumstämme aus Vorarlberg kamen; in zurückgelegenen Dörfern ist das einfacher zu sagen, wo das Material bezogen wurde.“
Die Böden sprechen auch im ehemaligen Wohnraum eine eigene Sprache; teilweise ist der Boden aus dem Jahr 2016, also für das Museum verlegt worden, und zwar immer da, wo kein brauchbarer Boden mehr lag. In Johners Lieblingsraum liegt ein Boden von etwa 1900; ein sogenannter Pitch Pine Boden aus den USA. Überall sonst liegt ein deutlich älterer Boden, der aber nicht ganz genau datiert werden könne; möglich sei, dass er seit Entstehungszeit des Hauses dort verlegt sei.
So ziehen sich die Spuren, die auf die Vergangenheit verweisen, durchs Gebäude, ebenso im Dachgeschoss, wo Veranstaltungen stattfinden, trifft Altes auf Neues. Um den alten Lastenaufzug optisch zumindest zu erhalten, wurde auf einen Lichtschacht beim Aufzugsanbau verzichtet – die alte grüne Holztür ist so erhalten geblieben und auch die Rollen für den Lastenaufzug sind noch sichtbar.
Das Gebäude wurde lediglich um Sicherheitstüren aus Glas und den Aufzug selbst an dieser Stelle ergänzt. Um Balken brandschutzrechtlich aufzurüsten und sie dennoch sichtbar zu lassen, habe es auch eine Lösung gegeben, führt Urs Müller aus. Eine bestimmte Beschichtung schäume im Brandfall auf und sorge so für den entsprechenden Schutz.
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