Der Porsche GT4 RS ist ein echtes Spaßgerät und war auf dem Rundkurs in Estoril umweltfreundlich mit E-Fuel unterwegs.
Es ist nicht besonders populär zu sagen, dass einem ein Verbrenner-Fahrzeug gefällt. Noch dazu, wenn es sich um ein so sportliches wie den Porsche 718 Cayman GT4 RS handelt. Doch wenn er mit ökologisch einwandfreiem Kraftstoff befeuert über die Rennstrecke geht, dann darf der Autor schon mal gegen den Strom schwimmen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen: Wenn es um die Autoberichterstattung geht, dann liest man vorrangig von batteriegetriebenen Fahrzeugen. Die Begeisterung der Berichterstatter ob des "gleichmäßigen, spontanen, einen in die Sitzpolster drückenden Anzugs", der selbstredend der getriebelosen Bereitstellung des maximalen Drehmoments geschuldet ist, findet sich in vielen Artikeln. Keine Rede ist hier aber von Rennstrecken, von mehr als 50 Runden auf einem vier Kilometer messenden Rundkurs, geschweige denn von einer emotionsgeladenen Geräuschkulisse, die ein echter, im Normalfall fossile Brennstoffe verschlingender Sauger in den Innenraum eines Porsche 718 Cayman GT4 RS transportiert.
Mit reinem Gewissen lässt sich das Gaspedal der 500 PS starken GT4 RS viel leichter durchtreten.
Und um an dieser Stelle gleich mit einem ersten Missverständnis aufzuräumen: Betankt wurde das Performance Car aus Zuffenhausen für die Testfahrt auf der Rennstrecke im portugiesischen Estoril und angrenzenden Straßen mit einem E-Fuel. Also mit Kraftstoff aus Zuckerrübenabfällen, der, und auch das soll nicht unerwähnt bleiben, nicht wie so oft aus Chile stammte, sondern in Europa produziert wurde. So befeuert ist der für die Rennstrecke optimierte Straßensportler also für den Test absolut CO₂-neutral unterwegs gewesen.
Mit einem derart reinen Gewissen lässt sich das Gaspedal des 500 PS starken Boliden natürlich gleich viel leichter durchtreten, um zu erleben, wie sich schmale 1415 Kilogramm Kampfgewicht in lockeren 3,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 bewegen. In der Spitze sind 315 km/h versprochen, auf der langen Start-Ziel-Gerade in Estoril waren immerhin 270 km/h drin. Allerdings war dem Sechszylinder-Saugmotor deutlich anzumerken, dass hier noch deutlich mehr Feuer unterm Kessel brennt.
Der Dirigent im Porsche GT4 RS ist in jedem Fall der Fahrer.
Apropos Kessel. Der Sechszylinder-Sauger für den GT4 RS stammt eigentlich aus dem 911 GT3. Da der aber nicht eins zu eins in den Cayman passt, musste er um 180 Grad gedreht werden. Damit rückt er aber nicht nur dichter an den Rücken des Fahrers, sondern sorgt auch dafür, dass die Lufteinlässe zur Beatmung hinter die Seitenscheiben wandern. Ein Umstand, der nicht nur technisch pfiffig ist, sondern im Zusammenspiel mit den Drosselklappen ein geradezu orchestrales Sounderlebnis garantiert. Der Dirigent ist, und darauf legt man bei Porsche immensen Wert, der Pilot. Und der darf sich in einem GT4 RS auch so nennen. Nicht nur, weil das RS für Rennsport steht, sondern auch, weil der 4,0-Liter-Sauger direkt aus dem Motorsport kommt. Der Hochdrehzahlmotor treibt nämlich auch die Porsche 911 GT3 im Mobil 1 Super Cup an.
Doch zurück zum Dirigenten: Dessen Taktstock ist selbstredend das Gaspedal, mit dem er den einzelnen Orchestermitgliedern die richtigen Töne entlockt. Da sind zum Beispiel die schon erwähnten Drosselklappen. Jeder der sechs Zylinder hat am Ende der variablen Resonanz-Sauganlage nämlich eine eigene Einzeldrosselklappe. Da die besonders nah an den Einlassventilen platziert wurden, verbessert sich hier nicht nur die Luftzufuhr, sondern auch die Dosierbarkeit und damit das Ansprechverhalten des Motors. Und zudem kann man eben genau hören, wie sie sich öffnen und schließen.
Die Lufteinlässe zur Beatmung des Sechszylinders sind hinter die Seitenscheiben gewandert, auf Höhe der Ohren des Fahrers.
Und so entsteht im GT4 RS eine einzigartige - und so in keinem anderen Porsche - zu erlebende Soundkulisse. Während oben die Luft schlürfend eingesaugt wird, öffnen und schließen sich unten geräuschvoll die Drosselklappen. Wütende Salven schießen aus den armdicken Endrohren der Sportabgasanlage, während die Steuerkette dicht hinter dem Fahrersitz ihre Runden dreht und es gefühlt nur wenige Zentimeter weiter faucht und grollt. Warum so viele Worte wegen des Sounds verschwendet werden? Weil einfach jede Untermalung - mit welcher Musik auch immer - absolut überflüssig wird. Alles, was abseits des beschriebenen Ohrenschmauses verabreicht wird, würde den unnachahmlichen Charakter dieser puristischen Rennmaschine einfach nur verfälschen.
Aber natürlich zeichnet den GT4 RS mehr aus als ein klangvoller Motor, der ab 8400 Kurbelwellenumdrehungen 500 PS zur Verfügung stellt. Wichtig ist, wie die Kraft von maximal 450 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterräder geschmettert wird. Damit das nämlich wie im Rennsport binnen Millisekunden und ohne Zugkraftunterbrechung passiert, wird der Sportler ausschließlich mit Doppelkupplungsgetriebe (PDK) ausgeliefert. Auch das ein Instrument des Dirigenten, der dessen Klang wenn nötig über die Schaltwippen seinem künstlerischen Empfinden anpassen kann. Wichtig hierbei ist, dass der zweite Gang kürzer übersetzt wurde und auch die Schaltzeiten in den siebten verändert sind. Wie auch immer: Die Rückschaltungen beim harten Anbremsen an die Kurve, wenn die Grauguss-Aluminium-Verbundscheiben von 408 Millimetern Durchmesser an der Front in die Zange genommen werden, sind deutlich spontaner, als man es sonst kennt. Und die Rückschaltungen sind akustisch präsenter, was ähnlich wie gut eingesetzte Kesselpauken in einem Orchester noch mal eine ganz andere Farbe in die GT4-RS-Symphonie bringt.
Natürlich wurde der GT4-RS aerodynamisch und fahrwerksseitig optimiert.
Für veritable Rundenzeiten wurde der GT4 RS natürlich auch aerodynamisch und fahrwerksseitig optimiert. Das ohnehin drei Zentimeter gen Asphalt bewegte Sportfahrwerk verfügt über eine RS-spezifische Abstimmung von Federrate und Dämpfern. Zudem wurden alle Fahrwerk-Lagerstellen mit Kugelgelenken versehen, was das Fahrverhalten gerade auf dem Rundkurs oder auf kurvenreichen Bergstraßen noch einmal deutlich präziser macht. Und damit auch bei Höchstgeschwindigkeiten alles schön am Boden bleibt, wurde der GT4 RS mit einem wuchtigen Heckflügel versehen, der mechanisch in vier Stufen verstellt werden kann. Die Schwanenhalsanbindung kennt man hier schon. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die vom Le-Mans-Klassensieger, dem 911 RSR, abgeleitet ist. Um den Abtrieb auch vorne zu sichern, haben die Aerodynamiker die Buglippe neu gestaltet und durch umströmte seitlich Blades flankiert. Insgesamt sorgt all das beim GT4 RS für 25 Prozent mehr Abtrieb als beim 718 Cayman GT4.
Den hat man dann - ja, zugegeben, mit Michelin Cup-2R-Reifen - auf der Nordschleife dann mal so richtig abgekocht. Gesteuert durch Jörg Bergmeister, nahm der RS seinem Bruder mit 7 Minuten und 4 Sekunden satte 24 Sekunden ab. Nach Aussagen vom Modellreihenleiter GT-Fahrzeuge, Andreas Preuninger, war das "deutlich mehr", als man sich vorgenommen hatte. Allerdings weist das den GT4 RS auch gleich noch mal aus. Natürlich ist er für den Straßenverkehr zugelassen. Aber man muss sich in jedem Fall darüber im Klaren sein, dass es sich hier um ein für die Rennstrecke optimiertes Fahrzeug handelt. Oder mit Preuninger gesprochen: "Wenn es beim GT4 RS Kompromisse zwischen Sport und Komfort zu treffen gibt, dann wird das bei einem solchen Auto immer zugunsten des Sports ausfallen."
Der Innenraum ist einem GT4 RS angemessen spartanisch eingerichtet, ohne dass der Fahrer aber auch abseits der Rennstrecke wirklich etwas vermisst.
Insofern, ja, man kann einen Porsche 718 Cayman GT4 RS auf der Straße fahren. Aber am besten da, wo auch sein Vermögen erfahren werden kann: auf kurvigen Landstraßen. Denn nur dort wird das, was auf den RS auf dem Rundkurs auszeichnet, zum Leben erweckt: die einzigartig präzise Lenkung, die kurzen Federraten, das im Zusammenspiel mit dem tiefen Abducken auf die Straße und den Aeromaßnahmen geförderte Ansaugen an den Asphalt und das spontane Ansprechen eines immer wachen Sechszylinder-Saugers mit seiner wunderbaren Klangkulisse. Hier wird dann auch noch mal die Interpretation des Kürzels RS von Preuninger deutlich. Der sagt nämlich, dass es nicht für "Rennsport, sondern für Rennspaß" steht.
Wer also am Ende in der Lage ist, die mindestens 142.000 Euro für einen Porsche 718 Cayman GT4 RS aufzubringen, der sollte dieses Fahrzeug nicht auf langweiligen Autobahnetappen fahren oder damit durch den Stadtverkehr zuckeln. Das wäre, als würde man Speed gegen Valium tauschen. Dieses Auto giert in seiner Gesamtheit und in jedem einzelnen Detail nach dem Rundkurs oder der Bergstraße. Nur dort wird man ihm am Ende gerecht und nur dort wird der Pilot maximalen Fahrspaß erleben. Fahrspaß, den es momentan noch bei keinem E-Auto gibt. Und so wird der GT4 RS wohl noch einige Zeit gegen den Strom schwimmen.