Junge Schweizer Design-Labels an der Neue Räume 22

2022-10-08 18:06:30 By : Mr. chen li

2001 fand die Internationale Interior-Design-Ausstellung «Neue Räume» zum ersten Mal statt. Nun – nach zwei Jahren pandemiebedingtem Unterbruch – präsentierten wieder über 120 nationale und internationale Designer aus insgesamt zehn Ländern ihre neusten Kollektionen. Der Architekt Stefan Zwicky hat die heute grösste Schweizer Designmesse einst ins Leben gerufen und geschafft, dass renommierte internationale Firmen wie Minotti, Fritz Hansen oder B&B nach Zürich Nord reisen.

Auch der Schweizer Möbelhandel war an den Neuen Räumen 22 in den alten Industriehallen in Zürich Oerlikon stark vertreten. Neben der Vielzahl namhafter Unternehmen wie Lehni, Röthlisberger, Thut, Embru oder Baltensweiler liessen sich zwar nur einige wenige kleinere Design- und Newcomer-Labels neu entdecken. Diese aber erzählten mit ihren Entwürfen, Konzepten oder Produktionen viele spannende Geschichten.

Fünf junge Marken, die ins Auge gestochen sind:

Seine Macher nennen ihn den radikalen Stuhl aus Zürich. Dass der «Sihl» von Studio Krach nicht nur mit starken Worthülsen bemäntelt ist, zeigt sich an seinem auf das Wesentliche reduzierten Design: Nebst dem reinen Gefallen lässt dieses zu, dass der Stuhl in einer kleinen Schreinerei in der Nähe der Sihl, mitten im Zürcher Kreis 4, seriell produziert werden kann. Komplexe Formen und Details, die nur computergesteuerte Maschinen vollbringen könnten, schlossen die beiden Köpfe hinter Studio Krach, der Schreiner Severin Meier und der Designer Lukas Baumgartner, deswegen von Anfang an aus.

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Produziert wird der stapelbare Kreuzzargenstuhl aus massiver Esche mit runder Sitzfläche und einer geraden Rückenlehne in Meiers Schreinerei, direkt unter dem Atelier von Baumgartner. Das Möbelstück haben die beiden im Herbst 2021 lanciert, nun haben sie an der Messe den dazu passenden Sihl-Hocker und einen ersten Prototypen eines Tisches im selben Stil präsentiert.

Erstmals der Öffentlichkeit gezeigt wurde in Oerlikon auch die Sihl-Stuhl-Edition mit Polster: Die Bezüge hat die junge Schweizer Textildesignerin Vera Bruggmann am Webstuhl von Hand hergestellt.

Der Duft nach frischer Arve zog einen zur Ausstellerin Raïna – Rätoromanisch für Königin. Als Königin der Alpen wird auch die Arve bezeichnet, das helle und weiche Holz, das dank seinen Eigenschaften seit Generationen ein geschätzter Werkstoff für die Möbelschreinerei ist. Die Marke Raïna verbindet das alpine Holz mit zeitgemässem Möbeldesign in zurückhaltender Formgestaltung und bringt den beruhigenden Duft der traditionellen Arvenstube in die Stadt.

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Das Arvenholz für die Möbelstücke von Raïna stammt aus dem Val Müstair und wird dort von Hand in einem örtlichen Betrieb, der Arvenmöbelschreinerei Frars Hohenegger in Fuldera, verarbeitet. Hinter dem Design steht Ralph Steiner, ein Gestalter von Altholzmöbeln. Dem Arvenholz eine Form aufzwingen will Steiner aber nicht. Er lässt diese von den Bearbeitungsmöglichkeiten und Holzgegebenheiten bestimmen. Auch die Anzahl seiner Möbel kommt nicht von ihm – diese werden nämlich nur auf Bestellung gefertigt.

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Die «hanging plants», die Jessica Reust und Yvo Goette während ihrer Reise durch Südafrika in Restaurants und Läden für sich entdeckt haben, inspirieren ihre Arbeit bis heute. Die beiden, die nach der kaufmännischen Lehre das Designstudium an der Zürcher Hochschule der Künste absolviert haben, leiten heute das Biophilic Designstudio Cosmos. Ihr Ausstellungsplatz war übersät mit grossen, in der Luft hängenden Pflanzgefässen.

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Das filigrane Stahldrahtseil, mit dessen Hilfe die Pflanzenkübel an der Decke befestigt werden, ist kaum sichtbar – und schier unvorstellbar ist die Tatsache, dass diese bis zu zwei Meter grosse und 20 Kilo schwere Pflanzen tragen können. So werden die Pflanzen nicht nur als Deko-Element inszeniert, sondern auch als Sichtschutz oder Raumteiler. Passend, dass Reust und Goette nicht nur Produkte, sondern auch Räume ganzheitlich mit und für Pflanzen gestalten.

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Die Gruppe Mobiglias, ein Zusammenschluss von Bündner Handwerksbetrieben und Design-Interessierten aus der ganzen Schweiz, hat vor drei Jahren erstmals zu einem öffentlichen Design-Wettbewerb eingeladen. Eingereicht werden konnten Entwürfe für Objekte und Kleinmöbel, die einen Bezug zum Kanton Graubünden haben und aus Materialien hergestellt werden, die traditionellerweise ebendort verarbeitet werden. Aufgrund der «positiven Reaktionen» hat die Gruppe den Wettbewerb dieses Jahr nochmals ausgeschrieben.

Die zweite Edition des Mobiglias-Design-Wettbewerbs konnte Justinas Zuklys mit seinem Möbelstück «Scarsola» für sich entscheiden. Bei seinem Produkt handelt es sich um eine Sitzbank, die mit ihren filigranen Längs-, Quer- und Vertikalkomponenten und dem sich an den Enden verjüngenden Holzgerüst einem Transportschlitten nachempfunden ist.

Fertigen liess Zuklys seinen «Scarsola» aus altem Lärchenholz, das von Stall-Umbauten übrig geblieben ist. «So kann das Produkt die Geschichte des Ortes weitertragen, und jedes Möbel wird zum Unikat», sagt der in Vilnius geborene Kreative. Die Holzoberfläche ist mit einem Putzhobel behandelt, so wie es früher üblich war. Zusammengehalten wird die Konstruktion durch Keile.

Neben dem runden Kissen, das an die Querteile geknotet ist und Verweil-Platz ist, ist ein Stück Stoff eingehängt, das Platz bietet für Zeitungen, Hausschuhe oder wofür das Möbelstück im Einsatz ist. So mag die Sitzbank konstruiert sein wie früher, sie ist jedoch so flexibel einsetzbar, wie der Mensch von heute es eben braucht.

Wer ein Stehpult im Büro hat, weiss um seine Vorzüge. Mit der Neubewertung des Remote-Offices werden sich trotzdem nur die wenigsten ein Stehpult nach Hause geholt haben: zu wenig Platz, zu klobig, nicht ästhetisch genug. An diesem Punkt hat Alexander Baumann mit Distelberg angesetzt: Er hat für seine junge Marke ein Stehpult entwickelt, das praktisch und gleichzeitig formschön für zu Hause ist.

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Hinzugekommen sind mittlerweile zwei Varianten von Kuben und Arbeitstischen, deren Oberflächenmaterialien und teilweise Gestellfarben selbst zusammengestellt und dem Interieur angepasst werden können. Produzieren lässt Baumann seine Home-Office-Möbel im Traditionsunternehmen Paul Zimmerli AG in Unterentfelden, das seinem Vater gehört. Seit den 1930er Jahren werden hier, am Fusse des Distelbergs, Büromöbel produziert.

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